In den letzten Wochen haben die Kirchen (notgedrungen) zahlreiche neue digitale Formen der Gemeindearbeit und Kommunikation mit ihren Mitgliedern gefunden und „erfunden“. Die digital übertragenen Gottesdienste und Video/Audio-Andachten haben teils wesentlich mehr Menschen erreicht, als im regulären Präsenzformat. Bibel- und Gebetsgruppen berichten darüber, dass nun auch „Ehemalige“ wieder teilnehmen konnten, die vorher aufgrund von räumlicher Entfernung oder fehlender Mobilität nicht mehr an den Präsenzveranstaltungen teilnehmen konnten.

Jetzt, wo die Präsenzveranstaltungen wieder Stück um Stück möglich werden, stellen sich viele Gemeinden die Frage, wie sie mit der Situation zukünftig umgehen. Die neu hinzugewonnen Zielgruppen sollen nicht verloren werden, gleichzeitig sind die zeitlichen Ressourcen für die Aufrechterhaltung aller Angebote begrenzt.

Im Vorfeld unseres unseres Brainstorming-Webinars „Was nun, Kirche? Analog, digital, hybrid?“ haben wir eine Online-Umfrage im deutschsprachigen Raum durchgeführt um ein Stimmungsbild zu Frage wie es weiter geht in den Gemeinden und Werken „nach Corona“ zu erhalten.

Ihr findet im Folgenden die Ergebnisse und Erläuterungen zur Umfrage und einen Mitschnitt der Präsentation vom 28. Mai 2020.

Hinweise zur Durchführung der Online-Umfrage

Zunächst möchten wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese Umfrage eine relativ spontane und kurzfristige Entscheidung des GOTT@DIGITAL-Teams im Vorfeld des Webinars war. Der Fragebogen nahm dann doch erstaunlich viel Fahrt auf, viel mehr als wir dachten und einige größere Organisationen und Multiplikatoren haben den Link über ihre Kanäle weiterverteilt. Wir erheben deshalb keinen Anspruch auf tiefe, wissenschaftliche Standfestigkeit und Perfektheit des Umfrage-Designs. Tatsächlich sind uns im Laufe der Durchführung bereits selbst einige Mängel in der Fragestellung aufgefallen, die wir aber nicht mehr ändern wollten um die Ergebnisauswertung nicht zu verzerren.

Dies gesagt, hier einige wichtige Vorbemerkungen zur Durchführung der Erhebung:

  • Die Einladung zur Teilnahme erfolgte über unsere digitalen sozialen Kanäle (Facebook, Twitter, Instagram, Webseite, E-Mail-Verteiler), Multiplikatoren und Verbreitung durch Organisationen (midi, ELKW, Bund FeG, IVCG, u.a.)
  • Es handelt sich um eine konfessionsübergreifende Auswertung. Dabei waren auch Mehrfach-Ausfüllungen möglich, wenn ein Mitarbeiter z. B. in einer Ortskirche mitarbeitet aber zusätzlich auch eine überregionale kirchliche Organisation bewertete, in der er auch tätig ist.
  • Es handelt sich hierbei natürlich um keine repräsentative Umfrage/Statistik! Die Struktur der TeilnehmerInnen ergab sich also durch Selbstselektion.
  • Entsprechend gab es auch keine analoge Rückmeldungen (Papier-Fragebögen) und wir haben per Definition keine „IT-fernen“ Zielgruppen erreicht, die gar keinen Computer oder Smartphone besitzen oder an digitale Kommunikationskanäle angebunden sind.
  • Es wurde nicht technisch sichergestellt, dass Personen den Fragebogen öfters ausfüllen. Die Analyse der Daten hat für uns allerdings aktuell auch keine Hinweise darauf geliefert, dass dies missbraucht wurde.
  • Durch die Verteilung der Umfrage durch Organisationen kam es zu Häufungen von bestimmten Zielgruppen, z.B. von Pfarrern/-innen von bestimmen Landeskirchen.
  • Einzelne Datensätze wurden für die Veröffentlichung angepasst, um keine Rückschlüsse auf persönliche Daten führen zu können. Dies betrifft die Angabe des gemeindlichen Hintergrunds. Diese Datensätze wurden unter „Sonstige“ oder „Werk/Organisation“ untergegliedert und die explizite Nennung der Gemeinde/Werke ersetzt.

Trotz dieser Einschränkungen auf die Aussagekraft, die wir voranstellen wollen, damit keine falschen Schlüsse oder Erwartungen geweckt werden, hat sich die Summe an Rückmeldungen als sehr interessant und gut brauchbar für unseren Wunsch nach der Bildung eines „Stimmungsbildes“ herausgestellt:

    • Die mittleren Altersgruppen (20-65) ist von der Anzahl her recht gut vertreten
    • Die Altersverteilung ist auch innerhalb der verschiedenen Konfessionen/Organisationen recht gleichmäßig
    • Die Aufteilung in ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter ist ca. hälftig.
    • Die Antworten auf die offenen Fragen bilden ein sehr breites Spektrum ab, von „digitalen Enthusiasten“ bis hin zum „digitalen Skeptiker“

Zusammenfassung

Bevor wir in die Einzelbetrachtungen gehen, hier unsere Kern-Erkenntnisse aus der Analyse der Daten. Hinweis: Das Video auf der rechten Seite gibt Euch die Möglichkeit die Präsentation der Ergebnisse während unseres Webinars anzusehen. Die Daten waren dort noch nicht final und wir haben für den Blog die Punkte geringfügig anders gegliedert.

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  • Fast alle Gemeinden/Organisationen (ca. 90%) haben neue digitalen Angebote in den letzten Wochen geschaffen.
  • Digitale Gottesdienste sind DAS neue Format der Corona-Krise bzgl. Angebot UND Nutzung.
  • Es wurden nach Einschätzung der Rückmeldenden mehr Menschen als sonst und neue Zielgruppen erreicht. Die „Volkskirchen“ konnten hier anscheinend besonders profitieren.
  • In einer Vielzahl von Formaten wünschen sich Gemeindemitglieder zukünftig hybride Angebote, v.a. beim Gottesdienst und bei Vorträgen.
  • Auffallend ist, dass gerade ältere Menschen sich verstärkt digitale hybride Formate wünschen, während jüngere die analogen Formate sehr schätzen und nachfragen.
  • Geld und fehlende Unterstützung durch die Leitung oder Gemeinde sind nach Einschätzung der Rückmeldenden überwiegend kein Problem mehr.
  • Fehlende Zeitressourcen und Mitarbeiter sind das Haupt-Hindernis für digitale Angebote nach Einschätzung der Mehrheit.
  • Technik und Know-How ist teilweise vorhanden, teilweise aber auch nicht, je nach Struktur der Mitglieder der Gemeinde.

Die Analyse und Clusterung der Antworten auf die offenen Fragen führt aus unserer Sicht zu folgendem Fazit:

  • Offenheit für das Neue ist grundsätzlich notwendig.
  • Analog UND digital ist die Zukunft.
  • Basis-Qualitätsstandards bei der Produktion von digitalen Formaten sind notwendig.
  • Bedürfnisse der Gemeindenahen und Gemeindefernen müssen gezielt angesprochen werden.
  • Keine 1:1 Streaming-Gottesdienste, Beziehung und Interaktion müssen ermöglicht werden.
  • Neue Formen von Gemeinschaft sollten genutzt werden und weitere digitale Angebote geschaffen werden.
  • „Digitale“ Mitarbeiter und digitale Kompetenzen sollten konstant aufgebaut werden.
  • „Einfach mal Beginnen“ und dann Zeit zum Hineinwachsen lassen.

Die Detail-Betrachtungen

Die Struktur der Rückmeldungen

Bitte klicke die Grafik an, um diese im Vollbild zu sehen.

Frage: Hat Deine Gemeinde/Werk in den vergangenen Wochen erstmals (neue) digitale Angebote für ihre Mitglieder geschaffen?

  • Praktisch alle Gemeinden haben neue digitale Formate in den letzten Wochen angeboten.
  • Eine Antwort mit „Nein“ kann u.U. allerdings auch bedeuten, dass die Gemeinde bereits vorher schon gut digital aufgestellt war und keine neuen, zusätzlichen Angebote bereitstellen mussten.

Frage: Welche Angebote hat Deine Gemeinde/Organisation für Dich als Mitglied in den vergangenen Wochen ERSTMALS digital angeboten und hast Du es genutzt?

  • Der Gottesdienst ist mit Abstand das am häufigste neu eingeführte digitale Format mit gleichzeitig der höchsten Nutzung.
  • Auch Hauskreise wurden in einer Vielzahl von Fällen digital durchgeführt und auch genutzt.
  • Seelsorge wurde zwar häufig digital angeboten, aber wenig in Anspruch genommen.
  • Überraschend viel Zuspruch erhielten Angebote von Morgen- und Abendandachten. Dort wo sie angeboten wurden, sind sie auch stark genutzt worden. Siehe dazu auch unser Webinar zum Thema Podcasting mit dem Beispiel von Pfarrer Nehring aus Bayreuth.

Frage: Wenn Eure Gemeinde/Organisation digitale Angebote in den vergangenen „Corona“-Wochen neu geschaffen hat, in wie fern stimmst Du folgenden Aussagen zu?

  • Der Großteil schätzt es so ein, dass mehr Menschen erreicht wurden.
  • Es wurden auch neue Zielgruppen erreicht. Bei Mitgliedern von Freikirchen ist die Einschätzung hier zurückhaltender, d.h. v.a. die Volkskirchen haben anscheinend neue Zielgruppen erreicht, die vorher nicht aktiviert werden konnten.
  • Bei der Frage, ob ältere Menschen die Angebote nutzen konnten, spaltet sich die Einschätzung. Hauptamtliche sind in den Detaildaten hier optimistischer, dass ältere Menschen die Technik nutzen können als ehrenamtliche.

Frage: Welche Angebote würdest Du als Mitglied (weiterhin) gerne digital, analog oder hybrid regelmäßig nutzen? (Hinweis: Hybrid = Präsenzformat mit der Möglichkeit online teilzunehmen)

  • Der Gottesdienst soll ganz klar weiter digital angeboten werden. V.a. ältere Menschen möchten das digitale Angebot. Jüngere sagen erstaunlich oft, dass sie die Angebote analog nutzen möchten.
  • Immerhin 30% können sich hybride Musikangebote vorstellen, auch wenn die Tonqualität und das Klangerlebnis sehr viel schlechter ist. Auch hier sind es gehäuft die älteren Menschen, die sich das wünschen.
  • Hybride Hauskreise/Bibelgruppen sind bei >35 jährigen sehr gefragt. Wahrscheinlich, da diese auch beruflich häufiger unterwegs sind und/oder auch auf kleinere Kinder abends zu Hause aufpassen müssen (Stichwort: Alleinerziehende).
  • Es besteht ein Potenzial/Wunsch nach hybriden Vorträgen bei > 35 Jährigen. Dies könnte aufgrund eingeschränkter Mobilität sein oder weil man „nur mal reinhören“ möchte und nicht die gesamte Abendplanung auf einen externen Vortrag einstellen möchte.
  • Immerhin 40% sind offen für hybride Seelsorge-Arbeit, v.a. die Gruppe von 36-49 Jährigen.
  • Die digitale Morgen-/Abendandacht ist mit 20% das Angebot mit der stärksten rein digitalen Nachfrage.

Für Ausgewählte digitale Angebote haben wir eine Sonderauswertung gemacht, wie die jüngeren und älteren Altersgruppen hybride und komplett digitale Formate nachfragen:

Die Ergebnisse zeigen in dieser Konfiguration beispielhaft, dass die Älteren rein digitale Formate häufiger nachfragen, als die Jüngeren.

Frage: Welche Hindernisse für digitale Angebote siehst Du als Mitglied in Deiner Gemeinde/Werk/Organisation?

  • Geld und Unterstützung durch die Leitung/Gemeinde sind nicht (mehr) das Haupthindernis für digitale Angebote.
  • Die fehlenden Zeitressourcen sind offensichtlich das größte Hindernis. Da die Gemeinden nach der Corona-Zeit die digitalen Formate weiterhin nachfragen und gleichzeitig auch wieder die analogen Angebote starten, bringt dies die Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen in große Ressourcenprobleme.
  • Das Bild bei Know-how/Mitarbeiter/Technik ist uneinheitlich. Einige Gemeinden sind hier schon gut aufgestellt, bei anderen fehlt praktisch alles, vom passenden Internet-Anschluss angefangen. In Freikirchen ist Know-How & Technik im Schnitt mehr vorhanden als in „Volkskirchen“
  • Beim Thema „Unterstützung“ tritt nach der Einschätzung eher die Gemeinde als „Bremser“ auf – mehr als die Leitung.

Frage: Welche negativen Erfahrungen hast Du in den letzten Wochen gemacht? 

Frage: Welche positiven Erfahrungen hast in den letzten Wochen gemacht? Was möchtest Du in der (digitalen) Kirche von morgen nicht mehr missen?

Frage: Worauf muss die (digitale) Kirche von morgen unbedingt aufpassen?

Frage: Worauf muss die (digitale) Kirche von morgen unbedingt aufpassen?

Datenquellen und Auswertungstools

Die Daten der Auswertung haben wir für Euch in unterschiedlichen Formaten zur Verfügung gestellt. Wir stellen diese der interessierten Öffentlichkeit und zum Nutzen aller zur Verfügung.

Wenn Ihr daraus Daten veröffentlicht, möchten wir Euch um Nennung von GOTT@DIGITAL und unserer Webseite als Quelle bitten.

Wenn Ihr Fragen zu den Daten habt oder Anmerkungen, Korrekturen, etc. dann schreibt uns bitte an die E-Mail-Adresse: webinar@gottdigital.de

Siehe auch den folgenden Beitrag mit den Notizen der Breakout-Sessions zu dem Webinar.